Italienisch-Somaliland: 5 Rupien der Fa. Vincenzo Filonardi & Co

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Vincenzo Filonardi

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Kapitän Vincenzo Filonardi war der Vorreiter des italienischen kolonialen Eindringens in Somalia. Er verfügte über einige Schiffe, die zwischen Italien und der ostafrikanischen Küste verkehrten. Sein Hauptsitz war auf Sansibar, wo er sich der Gunst des dortigen Sultans erfreute. Anfang 1890, nach der Annexion Eritreas, zog die italienische Regierung eine weitere koloniale Expansion in Richtung Somalia in Erwägung. Wohl wissend, daß die anderen europäisdchen Mächte ein solches Vorgehen nicht unbedingt gutheißen würden, und um dieses Hindernis zu umgehen, entschied der italienische Regierungschef Giovanni Giolitti, die bereits existierenden italienischen Einrichtungen im Gebiet Benadir zu verstärken. Er rief Filonardi nach Rom, wo er ihn zum Ersten Botschafter für Sansibar ernannte und ihn beauftragte, eine Handelsfirma zu gründen, die die italienische Regierung auch finanzieren würde.


Übereinkommen vom 11. Mai 1893 zwischen Filonardi und der italienischen Regierung:

Um Handel, Industrie, Landwirtschaft und Einwanderung von Siedlern an der afrikanischen Ostküste unter italienischem Einfluß zu betreiben, zu fördern und weiterzuentwickeln, übernimmt die Fa. V. Filonardi & Co. die Verwaltung der Handelsstationen im Gebiet Benadir (Brava, Merca, Mogadiscio und Warsheikh), und die Repräsentanz der Königlichen Regierung Italiens mit allen Rechten und Pflichten, die sich aus dem Lizenzvertrag vom 12. August 1892 ergeben, - ebenso die Verwaltung und Kontrolle des Territoriums zwischen dem Giuba-Gebirge und dem Dorf Mruti, nördlich von Warsheikh. Das Übereinkommen ist auf drei Jahre befristet“

Gezeichnet: Giolitti (Regierungschef) / Brin (Außenminister)


Somit war die von Filonardi gegründete Firma mit der Verwaltung jener Territorien offiziell beauftragt worden, die der Sultan von Sansibar einige Jahre zuvor gemäß eines Übereinkommens zur Schuldenregulierung dem italienischen Einfluß überlassen hatte.

Die Entscheidung, die Kolonisierung Somalias einer privaten Firma zu überlassen entstand aus der Überzeugung heraus, daß das britische System des „indirect rule“ die gegenwärtig beste Lösung wäre, um die oben erwähnten mit der internationalen Politik zusammenhängenden Probleme zu vermeiden. Italien befand sich jedoch auch aufgrund des Machtkampfs zwischen Giolitti und Francesco Crispi (der vorherige Regierungschef) in einer innenpolitisch schwierigen Situation.

Die Entscheidung, die direkte Machtausübung durch die Regierung zu vermeiden, mochte zwar theoretisch richtig sein, - in der Praxis zeigten sich aber rasch erhebliche Schwierigkeiten, sei es wegen Fehlern allgemeiner Art oder verschiedener organisatorischer Unzulänglichkeiten.
Vor allen Dingen schien es der Filonardi-Gesellschaft unmöglich, in einem Zeitraum von nur drei Jahren ein Gebiet zu verwalten, das noch sehr unzivilisiert und kaum erforscht war.
Es wären also einer Privatfirma Aufgaben zugefallen, welche die Eroberung, Besetzung und Verteidigung unwirtlicher Gebiete beinhaltete.

Ein weiterer Fehler war, die Firma Filonardi nicht mit ausreichend Kapital auszustatten, um Siedlungen, Städte und Häfen zu errichten und deren Sicherheit zu gewährleisten.
Diese Aktiviäten erforderten Investitionen, die die Firma in drei Jahren niemals hätte tätigen bzw. aufbringen können. Da die Gesellschaft ja zu einem Teil im Staatseigentum war, konnte sie auch nicht mit finanziellen Unterstützungen seitens der an der Teilnahme neuer Handelsplätze interessierten Industriellen und Kaufleute rechnen. Giolitti, der es mit dem Abschluß des Übereinkommens sehr eilig hatte, hatte die Schwierigkeiten, mit denen die Firma Filonardi zu kämpfen haben würde, weder ausreichend tief analysiert, noch sich große Sorgen um deren Schicksal gemacht..
Vielmehr sah Giolitti in Filonardi lediglich ein Instrument, mit dessen Hilfe er seine kolonialen Ambitionen im Interesse Italiens verwirklichen konnte.

Nachdem das Übereinkommen unterschrieben worden war, nahm Filonardi voller Enthusiasmus und Mut die ihm übertragenen Territorien in Besitz. Er gründete seinen Hauptsitz in einem kleinen Fischerdorf an der Küste Somalias, dem er den Namen Itala gab.

Am 15. Juni 1893 gab Filonardi in Itala 5 Rupien Noten der neuen Gesellschaft aus. (ITALIAN SOMALILAND P-1).

Er hatte die Regierung vorher um Erlaubnis dafür gefragt, und noch vor seiner Abreise aus Italien, hatte er sich schon mit der Firma „Salomone Litografia“ in Rom in Verbindung gesetzt.


Dekret über die neuen Banknoten:

Angesichts des ständigen Wertverfalls des Talers, der der Bevölkerung viel Schaden zufügt,

ORDNEN WIR AN:

1. Mit Wirkung vom 1. Moharrem 1312 wird die Firma Filonardi für die Bezahlung von Steuern und Abgaben keine Maria-Theresien-Taler mehr annehmen.
2. Alle Steuern und Abgaben werden fortan in indischen Rupien oder den firmeneigenen Geldscheinen erhoben.
3. Der Wert der firmeneigenen Geldscheine, jede zu 5 Rupien, beträgt 2,5 Maria Theresien-Taler.
4. Die firmeneigenen Geldscheine werden in allen der Filonardi-Gesellschaft unterstehenden Städten Benadirs zirkulieren und werden jeweils vom örtlichen Chef der Zollverwaltung sowohl ausgegeben als auch vergütet.

Gegeben zu Mogadiscio, 2. Mai 1894
Der Geschäftsführer
V. Filonardi


Zu dieser Zeit war die indische Rupie das an der Küste Somalias gebräuchlichste Zahlungsmittel, da hier viele indischen Händler tätig waren.
Im Binnenland jedoch war der Maria-Theresien-Taler gebräuchlich.

Ein Taler war 2 Rupien wert, was wiederum 3 Gold-Lire entsprach. Eine Rupie waren also 1,50 Gold-Lire, was einer heutigen Kaufkraft von ca. 5 € entspricht.

Da der Taler aber seit den frühen 1890-er Jahren gegenüber der indischen Rupie immer mehr an Wert verlor, entschied sich Filonardi für letztere als Währung.
Die Ausgabe der Filonardi-Scheine sollte einerseits die Rupien-Geldmenge erhöhen, andererseits das durch die Nicht-Akzeptanz des Maria-Theresien-Talers entstandene Geldmengendefizit auffüllen.

Zuerst wurde eine Wechselkursparität zwischen Rupie und Taler festgesetzt. Dies diente dazu, die Interessen der ökonomisch schwachen Bevölkerung im Binnenland, die ja fast nur aus Hirten und Bauern bestand, gegenüber der reicheren an der Küste lebenden Kaufmannsschicht zu wahren.
Dann wurde das Geldvolumen erhöht, was durch eine Schuldverschreibung geschah.
Die Schuldverschreibung war durch Vermögen der Fa. Filonardi gedeckt..

Es ist nicht bekannt, wieviele dieser Banknoten ausgegeben worden sind, da die Maßnahme nicht in den Bilanzen der Firma aufscheint. Sehr wahrscheinlich wurden nicht mehr als 5.000 Noten ausgegeben, also 25.000 Rupien (heute etwa 125.000 €).

Schon im ersten Jahr ihrer Tätigkeit war die Firma Filonardi mit allen erdenklichen Schwierigkeiten konfrontiert. Es kam zu mehreren unerfreulichen Zwischenfällen mit den Einheimischen, und der neue italienische Konsul in Sansibar, Antonio Cecchi, wurde von der Regierung aufgefordert, einen Bericht über die Aktivitäten der Fa. Filonardi zu verfassen. Diese Berichte zeichneten ein ungünstiges Bild von der Verwaltung Filonardis, vor allen Dingen wurde beanstandet, daß die Emission von Bankoten nicht in die Bilanzen des Unternehmens aufgenommen worden war.

Zweifel an der Objektivität Cecchis sind jedoch am Platze, denn dieser war als der Promoter einer neuen Firma, der „Benadir Gesellschaft“, maßgeblich daran beteiligt, daß der 3-Jahres-Vertrag mit Filonardi nicht verlängert wurde.
Die Benadir-Gesellschaft hat dann auch in der Tat seit 1896 sukzessive den Platz der Fa. Filonardi eingenommen.

Enttäuscht und traurig über die Entscheidung der Regierung, die die unzähligen Versuche und Anstrengungen mit Undank belohnt hatte, zog Filonardi vor Gericht. Er unterlag jedoch, und nach einigen Jahren wurde die Firma liquidiert.

Die Banknoten der Fa. Filonardi sind sehr selten. Es ist berichtet worden, daß Ende der 1980-er Jahre ein Nachkomme von Filonardi einem italienischen Händler 15 Stück in sehr gutem Zustand übergeben hat. Diese sind auch die einzigen Scheine, die überhaupt in den letzten Jahren auf dem Markt aufgetaucht sind..


5 Rupien der Fa. Vincenzo Filonardi & Co

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Quelle: Guido Crapanzano, „Soldi d’Italia – un secolo di cartamoneta“, Fondazione Cassa di Risparmio di Parma, 1995